Vascular Care 2017

Update NOAK: Perioperatives „Switching“, Medikamenten-interaktionen und Adhärenz
J. Koscielny, E. Rutkauskaite, Gerinnungsambulanz mit Hämophiliezentrum im ambulanten Gesundheitszentrum (AGZ), Charité, Universitätsmedizin Berlin
Neueste Erkenntnisse erfordern die Aktualisierung früherer Empfehlungen zum perioperativen Einsatz von NOAK (nicht Vitamin-K-abhängige orale Antikoagulanzien). Auf Grundlage der pharmakokinetischen Profile der NOAK wird in Abhängigkeit von Nierenfunktion, ggf. Leberfunktion sowie individuellem und eingriffsspezifischem Blutungsrisiko der Patienten eine präoperative Pausierung von 24 bis 96 Stunden je nach verwendetem NOAK empfohlen. Für Patienten mit PeriduralkaThrombozytenfunktionshemmertheter gelten ähnliche Intervalle. Elektive Eingriffe sollten entsprechend verschoben werden. Ein bereits präoperativ beginnendes „Bridging“ mit NMH (eigentlich „„Switching““) sollte wegen signifikant erhöhter Blutungsrisiken und anderer Komplikationen bei gleichem Thromboembolierisiko unterbleiben. Postoperativ können einige NOAK frühestens nach sechs bis acht Stunden, nach größeren Eingriffen bzw. höherem Blutungsrisiko sogar erst nach 24 bis 72 Stunden wieder verabreicht werden. Bei erhöhtem venösen Thromboembolierisiko oder Schlaganfallrisiko bei nichtvalvulärem Vorhofflimmern kann in diesem Zeitraum eine postoperative passagere (überbrückende) NMH-Gabe erfolgen.

Medikamenteninteraktionen unter NOAK betreffen meist die Absorption, den Transport und die Elimination der Substanzen. Hierbei sind substanzspezifische Einschränkungen und Empfehlungen zu beachten. Um im klinischen Alltag eine sichere und schnelle Information, auch über NOAK in Kombination mit anderen Medikamenten im perioperativen Management, zu erhalten, sind webbasierte, unabhängige Informationsportale sehr hilfreich.

Die Non-Adhärenz von Medikamenten ist weltweit verbreitet, gefährlich und geht mit hohen Folgekosten einher. Unabhängig von den Zulassungsstudien zu den NOAK (Adhärenz bei der Therapie akuter venöser Thromboembolien zwischen 94 und 99%) liefern erste Register und Metaanalysen ernüchternde Ergebnisse zur Adhärenz und Verbesserung der Adhärenz der NOAK in der Langzeitanwendung.

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Thrombozytenaggregations-hemmer in der perioperativen Phase: Was ist zu tun?
Christian von Heymann1, Christoph Rosenthal1, Lutz Kaufner2

1 Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Berlin

2 Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charité-Universitätsmedizin Berlin
Thrombozytenfunktionshemmer sind ein fester Bestandteil der medikamentösen Sekundärprophylaxe arteriosklerotischer Herz- und Gefäßerkrankungen. Neben der Monotherapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) in niedriger Dosierung (75-325 mg, in Europa vorwiegend 100 mg), ist die duale antithrombozytäre Therapie (DAPT) mit einer Kombination aus niedrig dosiertem ASS und einem Blocker des Adenosindiphosphat-(P2Y12)-Rezeptors (sog. ADP-Blocker) primär in der Behandlung des akuten Koronarsyndroms und hier vor allem nach koronarvaskulärer Stentimplantation etabliert und mit einem hohen Empfehlungsgrad in den kardiologischen Leitlinien publiziert [1, 2].

Werden Patienten unter antithrombozytärer Medikation operiert, kann dies mit einem vermehrten perioperativen Blutverlust und einem erhöhten Transfusionsbedarf assoziiert sein [3-5]. Zusätzlich kann eine OP-bedingte Gerinnungsaktivierung das perioperative Gerinnungsmanagement durch ein erhöhtes postoperatives Thromboserisiko erschweren. Umso wichtiger ist es, eine interdisziplinären Absprache zwischen Chirurgen, Kardiologen und Anästhesisten zu suchen, um das perioperative Vorgehen auf dem schmalen Grat zwischen erhöhtem Blutungsrisiko bei Weiterführung der Thrombozytenfunktionshemmung und einem ischämischen Risiko (z.B. Stentthrombose) bei (Teil-)Absetzen der antithrombozytären Medikation zu planen.

Gegenstand dieses Artikels ist daher das perioperative Management von Patienten unter einfacher (Monotherapie mit ASS) und dualer antithrombozytärer Medikation (ASS und ADP-Rezeptorblocker) unter folgenden Gesichtspunkten: Soll die präoperative thrombozytenhemmende Therapie überhaupt und, wenn ja, wann abgesetzt und wann kann diese wieder begonnen werden? Hierzu werden Daten der aktuellen Literatur und Leitlinienempfehlungen diskutiert und Schlussfolgerungen für den klinischen Alltag vorgeschlagen.
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NMH bei wiederholten Spontanaborten und mütterlicher hereditärer Thrombophilie – aktueller Stand
Ana-Luisa Stefanski1,2, Thomas Dörner1
1
Med. Klinik mit Schwerpunkt Rheumatologie und klinische Immunologie, Campus Charité Mitte, Berlin, Deutschland, 
2Klinik für Rheumatologie, Immunologie und Allergologie Inselspital Bern, Schweiz

Wiederholte Spontanaborte (WSA) weisen eine multifaktorielle Genese auf. Dies stellt sowohl für die Patientinnen als auch für die betreuenden Ärzte eine herausfordernde Situation dar. Einerseits besteht ein hoher Leidensdruck vonseiten der Betroffenen, andererseits macht der Anteil der Frauen mit idiopathischen WSA ca. 50% des Gesamtkollektivs aus. Dabei scheinen sowohl inflammatorische als auch thromboembolische Faktoren eine pathogenetische Schlüsselrolle zu spielen, wobei beide Systeme eng vernetzt sind [1].

Basierend auf den Erfahrungen zum Antiphospholipidsyndrom und dessen Rolle als erworbene Thrombophilie für WSA, werden Thrombophilien häufig verallgemeinernd als Risikofaktoren in der Entstehung von wiederholten Spontanaborten diskutiert. Kontrovers erscheint allerdings der Stellenwert von hereditären Thrombophilien hinsichtlich Schwangerschaftskomplikationen inklusive WSA. Therapeutisch wird bei hereditären Thrombophilien oftmals niedermolekulares Heparin (NMH) zur Abortprophylaxe bei WSA eingesetzt, was jedoch durch die Ergebnisse jüngerer randomisiert-kontrollierten Studien nicht sicher unterstützt wird.

Dieser Übersichtsartikel soll über die aktuelle Literatur zur NMH-Indikation bei Patientinnen mit wiederholten Spontanaborten und mütterlicher hereditärer Thrombophilie informieren.
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